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EIN ORT, DER WEDER HEISS NOCH KALT IST

Im 9. Jahrhundert, zur Zeit der Tang-Dynastie, lebte in China ein Zen-Meister names Dongshan Liangjie (japanisch: Tozan Ryokai), der elf Generationen entfernt vom Bodhidharma war. Wegen seiner großen Tugend wurde er mit dem Titel Wuben (japanisch: Gohon) Daishi ausgezeichnet. Das “to” in Soto-Schule leitet sich vom ersten Schriftzeichen seines Namens ab. Deshalb müssen die Schriftzeichen des Namens unserer Zenschule auch “Soto” und nicht “Sodo” gelesen werden, wie es fälschlicherweise viele Japaner tun. Einst wurde der große Meister Dongshan von einem Mönchen in der Ausbildung gefragt: “Wie kann ich Hitze oder Kälte vermeiden?”

Wahrscheinlich war es ein brütender Hochsommer-Nachmittag oder ein bitterkalter Wintermorgen. Es muss so eine außerordentliche Hitze (oder Kälte) geherrscht haben, dass der Mönch es nicht aushalten konnte.

Man mag verleitet sein zu denken, dass die Frage des Mönchen heutzutage ohne Relevanz ist, da wir Hitze und Kälte nach Belieben durch Klimaanlage und Zentralheizung regulieren können.Doch selbst wenn wir in unseren Häusern Wärme und Kälte kontrollieren können: Ein Schritt nach draußen lehrt uns, dass die Menschheit noch keinen Weg gefunden hat, den Naturgewalten zu entkommen.

Dongshan sagte: “Warum gehst du nicht an einen Ort, wo es weder heiss noch kalt ist?”
“Wo ist dieser Ort, der weder Hitze noch Kälte kennt?” Der Mönch in der Ausbildung mag gedacht haben, dass es sich um einen Ort in einem fernen Land handeln muss. Dongshan antwortete: “Wenn es heiß ist, werde eins mit der Hitze. Wenn es kalt ist, werde eins mit der Kälte. Das ist der Ort ohne Hitze oder Kälte.”

Solange wir in einer natürlichen Umgebung wohnen, können wir Hitze und Kälte nicht entgehen. Wir können uns aber vom Geist freimachen, der Hitze und Kälte fürchtet oder sie unbehaglich und unbequem findet.

Die Zeit um das japanische Ahnenfest (O-bon) finde ich stets bedrückend. Sobald ich daran denke, dass ich zur heißesten Sommerzeit von Haus zu Haus gehen muss, um Gedenkandachten abzuhalten, möchte ich am liebsten in ein Land entschwinden, das keine Hitze kennt. Doch sobald ich mit meinen Touren beginne und in Schweiß gebadet bin, macht mir die Hitze nichts mehr aus. Genauso ist es, wenn ich mit gekrümmten Schultern am kotatsu (traditioneller japanischer Fußwärmer unter einem Tisch mit Steppdecke darüber) sitze. Ich kann mich kaum überwinden, nach draußen zu gehen und einem Schneesturm zu trotzen. Sobald ich mich aber fertig mache und das Haus verlasse, um Skifahren zu gehen, kann sogar ein Schneesturm Spaß machen. Hitze und Kälte selbst sind es also nicht, die es uns beschwerlich machen. Was uns leiden lässt, sind vielmehr die mit ihnen verbundenen Ängste und Unannehmlichkeiten. In einem alten Gedicht heißt es:

“Die Schöpfkelle, Die Hölle von Hitze und Kälte betretend und verlassend, -Sie ist ohne Geist und ohne Leiden.”

Wie das Gedicht beschreibt, wird die Schöpfkelle in den kochenden Kessel und in das kalte Wassergefäß getaucht, doch fühlt sie keinen Schmerz, da sie ohne Geist ist.

Als Ryokan eines Tages von einem Erdbeben betroffen wurde, sagte er zu einem Besucher, der ihm einen Kondolenzbesuch abstattete:

“Wenn man krank ist, ist es recht krank zu sein. Wenn man stirbt, ist es recht zu sterben.”

Es ist nicht nur eine Frage von Hitze oder Kälte. Ebenso verhält es sich auch mit Geburt, Tod, Krankheit und Alter. Nur wenn wir uns trügerischen Spekulationen und Gedanken entledigen, steht uns der Weg offen, um Hitze und Kälte zu vermeiden und Geburt und Tod zu überwinden.

Kaisen Osho, der Zen-Meister des 16. Jahrhunderts, fand die Unterstützung vom Feudalherrn Takeda Shingen und lebte auf seine Einladung hin im Erinji-Tempel in Koshu (heutige Präfektur Yamanashi). Später, als Katsuyori, der Sohn von Shingen, von Oda Nobunaga angegriffen und besiegt wurde, floh der Großteil der Takeda-Armee in den Erinji-Tempel. Nobunaga wurde zornig, als erfuhr, dass Kaisen Osho all diesen Menschen Zuflucht gewährte. Er trieb alle Mönche hinauf in den Turm des Tempeltors und setzte ihn in Brand. Da wandte sich Kaisen an die anderen Mönche und sagte ruhig:

“Das ist nun das Ende. Wir geben der Takeda-Familie zurück, was wir ihr schuldig sind. Doch auch sonst hätten wir Menschen, die Zuflucht im Gewandsärmel des Dharma suchen, nicht einfach dem Feind ausgeliefert. Wir wollen tapfer und loyal mit den anderen sterben.” Daraufhin ließ er jeden Mönch der Reihe nach einen Todesvers rezitieren, bevor er schließlich selbst folgende Worte anstimmte: “Ruhige Meditation braucht keine friedliche Umgebung. Ist der Geist klar, dann ist das Feuer selbst kühl.”

Dieser Vers ist enthalten im Hekiganroku (Biyan Lu), im Kapitel “Dongshans weder heiss noch kalt”.

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